Das „Baumwollschloß“ im Mangfalltal
Bericht über die Halbtagesexkursion nach Kolbermoor am 23.09.2006
Der
Historische Verein Rosenheim will dazu beitragen, auch seine nähere Umgebung
einmal genauer kennenzulernen. Nicht wenige Rosenheimer werden mit der Stadt
Kolbermoor wenig oder wenn, dann nur Einkaufsparks in Verbindung bringen können.
Daß sich in der Mangfallstadt aber in den letzten 10-15 Jahren ein enormer
struktureller Wandel vollzog, blieb der breiten Öffentlichkeit verborgen.
Gerade auf dem Gebiet der Wirtschaftsgeschichte kann die Industriearbeiterstadt
Kolbermoor bestes Anschauungsmaterial liefern.
Ziel der Exkursion war es, die architektonischen Zeugnisse der Industrialisierung
des ländlichen Raumes zu zeigen und den Strukturwandel an der Schwelle
des 21. Jahrhunderts hautnah mitzuerleben.
Im Heimat- und Industriemuseum erklärte Anton Hamberger, ein ehemaliger
Mitarbeiter der Baumwollspinnerei, authentisch und mit Fachkompetenz sein
Arbeitsumfeld in dem Themenraum des Museums. Die Baumwollverarbeitung ist
den meisten eher aus den USA geläufig, um so exotischer wirkt sie in
Oberbayern.
Aus Gründen der Zeitdisziplin mußte der Museumsbesuch strikt auf
den einen Raum beschränkt werden. Es lohnt sich aber wieder zu kommen,
denn die Stadt Kolbermoor hat im ehemaligen Postgebäude ein kleines,
aber feines Regionalmuseum, das einen weiteren Besuch auf jeden Fall lohnt.
Danach spazierten die Exkursionsteilnehmer durch die Spinnereisiedlung, ein
städtebaulich interessantes Kleinensemble und ein Zeichen von unternehmerischer
Verantwortung. Denn schon mit Bau der Spinnerei entstanden attraktive Wohnungen
für die Arbeiter und die Beamten in nächster Nähe zum Betrieb.
Keine Selbstverständlichkeit in Zeiten der frühen Industrialisierung
mit ihren negativen Auswirkungen auf entwurzelte Arbeiterschichten und Industrieproletariat.
Herr Fuchs jr., führte als Architekt der Fa. Quest, die gerade auf der
ehemaligen Industriebrache einen neuen Stadtteil entwickelt, die Teilnehmer
in die faszinierenden Pläne des Bauträgers ein und erklärte
sachkundig Details der alten Bausubstanz. Es ist kaum vorstellbar, daß
aus ruinösen Mauern, wie z.B. der alten, halb verfallenen Energiezentrale
der Spinnerei mit einem stattlichen Heizkessel, bereits in einem Jahr ein
Café mit Kleinkunstbühne entstehen soll. Im sogenannten Batteurgebäude
konnte man einen komplett aus Eisenträgern konstruierten Dachstuhl bewundern,
der architekturgeschichtlich eine Rarität ist. Das Material ist bereits
„modern“, die Technik jedoch noch traditionell zimmermannstechnisch.
Dadurch gewinnt er aber eine Leichtigkeit, die mit Holzbalken nicht zu erzielen
gewesen wäre. Die Firma Quest ist bemüht, diese Details zu retten
und sichtbar zu machen. Für den jungen Architekten ist es sichtlich ein
Spaß, jeden Tag neue Herausforderungen meistern zu müssen, die
so ein Unternehmen mit sich bringt.
Trotz der Unannehmlichkeiten, die eine Baustelle mit sich bringt, waren die
Exkursionsteilnehmer begeistert von dem Projekt, das für die Stadt Kolbermoor
ganz neue städtebauliche Perspektiven bringt.
Hans Martin Ziegler